Samstag, 21. März 2009

Die Scheibenwischer - Das Augsburger Kabarett


Umschlagbild der Programmzeitschrift des Augsburger Kabaretts "Die Scheibenwischer"

"Die Scheibenwischer"-Sendung ist in die Jahre und die klare Sicht anscheinend mehr und mehr abhanden gekommen. Ein Wechsel der Wischerblätter täte Not. Mathias Richling wollte den Wechsel vollziehen, doch "Altmeister" Dieter Hildebrandt ließ es nicht zu. Er "enterbte" ihn kurzer Hand, indem er ihm die weitere Verwendung des Namens "Die Scheibenwischer" untersagte. Dabei tut er so, als ob er diesen Namen selbst erfunden hätte. Dem ist aber nicht so. Das politische Kabarett "Die Scheibenwischer" gab es schon bevor Dieter Hildebrandt 1980 das gleichnamige Fernsehkabarett startete. Es wurde 1957 in Augsburg gegründet und "firmierte" unter dem Namen das Augsburger Kabarett "Die Scheibenwischer". Gründungsmitglieder waren u.a. Marianne Altmann, Hubert Balze, Günter Gans, Heinz und Tina Köppendörfer, Eva Mertineit und Emil Ruf. Der damalige Leiter war Lutz Walter, später Intendant des E.T.A.-Hoffmann-Theaters in Bamberg. Von 1959 bis 1961 leitete Emil Ruf das Kabarett "Die Scheibenwischer". Nach ihm übernahm Günter Gans dessen Leitung bis zu seiner Auflösung im Jahr 1968.


Die Mitglieder des Augsburger Kabarett-Ensembles "Die Scheibenwischer"

Dr. Thea Lethmair schreibt im Februar 1961 ("Aus dem Augsburger Kulturleben"):

"Das vierte Programm.
Kabarettistisch dargeboten von der Scheibenwischer-Fernsehen-G.m.b.H.

Es ist nun an der Zeit für Augsburg, endgültig einen neuen kulturellen Tatbestand zu registrieren: Das kulturelle Leben stützt sich nicht mehr nur auf ein Theater und rund 20 Kinos, sondern auf ein Theater, rund 20 Kinos und - ein Kabarett. "Die Scheibenwischer" in Kalauerbachs Keller unten im Häringbräu - daran ist nicht mehr zu rütteln - haben ihre Existenzberechtigung erwiesen. "Das 4. Programm", das sie diese Woche vor einem hochmögenden und "hoch" rufenden Publikum aus der Taufe gehoben haben, ist wirklich ihr viertes Programm. Somit leben sie schon gute drei Jahre, und wir prophezeien, sie werden weiter leben, sofern nicht berufliche Aufstiegschancen einige Eckpfeiler aus dem, Ensemble brechen. Die Scheibenwischer sind (fast) noch komplett und haben zum Glück - wie ein Kollege nach der Vorstellung bemerkte - ihren guten Ruf. Gemeint ist damit nicht nur das gute Renomee, sondern auch der gute Emil Ruf, die Seele des ganzen Teams, Persiflator und Organisator, Kabarettist und Optimist und nebenbei auch noch Foto-Spezialist, kurz: Ein vielseitig begabter Mann. Ihm dürfte auch am "4. Programm" das meiste Ideenhonorar zufallen. [...]
In seiner Grundkonzeption ist "Das 4. Programm" darauf eingestellt die schwarze und rote Bonner Wehr-, Wirtschafts- und Wahlpolitik per Fernsehen unter die Lupe zu nehmen, wobei es einem ordentlichen Kabarett geziemt, daß das "Was" weniger originell ist als das "Wie". Die Scheibenwischer Emil Ruf, Günter Gans, Hans-Heinz Köppendörfer (der sehr begabte Dietrich Kondert fehlt diesmal, da er leider "zum Studieren" mußte), bewähren sich insgesamt daran als ein gut harmonisierendes, gewandtes Ensemble, das vorläufig von der im Kabarettstil schon recht erfahrenen Pianistin Tina Köppendörfer und dem für die Musik zeichnenden Artur Pagani noch weit kräftigere Unterstützung erhält, als von Hubert Balzes etwas bescheidenen Dekors.
Zwei Nummern des Programms möchten wir [...] wegen ihrer Brisanz mit der großen Glocke ausläuten. Die "Augsburger Abendschau" landet im Parkett als Volltreffer gegen kommunale Eigenheiten und Humorlosigkeiten, die "Politik aus vierter Hand" attackiert kurz und kräftig einen Augsburger Bundestagsabgeordneten. Der aber glänzte bei der Premiere nicht wie die städtischen und bauamtlichen Obrigkeiten durch Abwesenheit, sondern saß unmittelbar vor der Bühne und - lachte über sich mit. [...]"


"Das vierte Programm" der Scheibenwischer-Fernsehen-G.m.b.H.

Dieter Hildebrandt, der 1956 - ein Jahr vor der Gründung der "Scheibenwischer" - zusammen mit Sammy Drechsel das Kabarett "Münchner Lach- und Schießgesellschaft" ins Leben gerufen hatte, war ein Kenner der damaligen Kabarett-Szene. Er dürfte "Die Scheibenwischer" mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit gekannt haben.

Mitte der 60er Jahre schrieb Fred Hepp, damaliger Chefredakteur des Feuilletons der Augsburger Allgemeinen Zeitung, später verantwortlicher Redakteur für "Die letzte Seite" bei der Süddeutschen Zeitung, einen Artikel, in dem er beide Kabarett-Ensembles erwähnte: Nicht einmal "Die Scheibenwischer" in Kalauerbachs Keller hätten die Kalauer im Programm der Münchner Lach- und Schießgesellschaft "durchgehen" lassen.

Neben ihrer Tätigkeit als Kabarettisten waren Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt passionierte Hobby-Fußballer. Sie spielten im von Sammy Drechsler ebenfalls 1956 gegründeten Fußballverein FC-Schmiere (siehe: http://www.sueddeutsche.de/panorama/192/372004/text/).

Anlässlich der Gründung der Datschiburger Kickers gab es am 17. Juli 1965 ein legendäres Auftaktspiel im Rosenaustadion in Augsburg. Die Datschiburger Kickers spielten gegen den FC-Schmiere. Für die Datschiburger Kickers stand der "Scheibenwischer" Heinz Köppendörfer im Tor. Auf einem Foto sieht man Sammy Drechsel und Heinz Köppendörfer nebeneinander kniend (siehe: http://www.neue-sonntagspresse.de/fileadmin/ausgaben/archiv/2007-04-29.pdf).


Die Scheibenwischer Günter Gans (links) und Heinz Köppendörfer (rechts)

Es ist unverständlich, dass Dieter Hildebrandt in einem Interview, abgedruckt in der TZ vom 17.03.2009 (siehe: http://www.tz-online.de/aktuelles/stars/tz-scheibenwischerstreit-geht-weiter-satire-gipfel-do-2245-uhr-102437.html#130179), weiterhin steif und fest behauptet, das Augburger Kabarett "Die Scheibenwischer" und seinen zeitweisen Leiter (1959-1961) Emil Ruf nicht gekannt zu haben. Ein Wechsel der Wischerblätter täte hier wirklich Not.